Mittwoch, 15. August 2018

Getrennt. Und plötzlich ist der Sex besser?

Sex wird in einer Langzeitbeziehung seltener, der Streit häufiger – am Ende droht die Trennung. Ein Horrorszenario. Nicht selten aber entflammt das Liebesleben mit dem Ex genau dann neu. Paarberater Christian Thiel erklärt, wohin das führt.

Christian Thiel hat Psychologie und Germanistik studiert, seit über 15 Jahren berät er Singles und Paare in seiner eigenen Praxis. Er veranstaltet außerdem Workshops und Einzelcoachings für Partnersuchende und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht. In all dieser Arbeit rund um Liebe, Lust und das Fehlen von beidem wird er immer wieder mit Fragen von Hilfesuchenden konfrontiert – von „Warum kritisiert sie mich so viel?“ bis „Ist er ein Psychopath“ reicht die Bandbreite. Diese Fragen beantwortet er auf seinem Blog – die Antwort auf eine der häufigsten, nämlich der nach Sex mit dem Ex, gibt er hier:


https://www.welt.de/icon/partnerschaft/article181043780/Beziehungsproblem-Getrennt-und-ploetzlich-ist-der-Sex-besser.html?wtrid=socialmedia.socialflow.facebook.weltvideotv..socialflow_facebook

Sonntag, 10. Juni 2018

VIELE GRÜNDE FÜR SEX

02. Juni 2018

"Für guten Sex braucht es keine Liebe, findet unsere Community-Autorin. Sie spricht sich dafür aus, Liebe, Sex und Partnerschaft nicht immer in einen Topf zu werfen. Geschlechtsverkehr sei schließlich Kommunikation - nur eben auf körperlicher Ebene."


"Es gibt so viele Gründe mit einem Menschen Sex zu haben, wie Sand am Meer. Das romantische Ideal sagt uns, es gäbe nur einen richtigen Grund, und zwar den aus "Liebe" - mit anschließender Partnerschaft, bestenfalls natürlich fürs Leben. Dann ist Sex moralisch richtig. Wenn noch Kinder dabei entstehen, ist man drin im klassischen Bild der heiligen Familie, wie sie die Kirche gern propagiert. Wenn oben genannte Faktoren zusammentreffen, dann ist der Sex moralisch zu rechtfertigen. Erst dann ist er ok, weil "Die sind ja dann zusammen" oder so.

Sex kann - und das ist jetzt wirklich meine Meinung - emotional so unaufgeregte Konsequenzen nach sich ziehen wie Kaffeetrinken oder Eisessen mit einem guten Bekannten. Meine These ist: Mit wem ich nett über fünf Minuten plaudern kann, mit dem kann ich auch potenziell schlafen. Na gut, zugegeben, das stimmt nicht exakt immer, weil ich es ja natürlich auch wollen müsste, aber gehen tut es ohne Frage. Ganz ohne emotionale Verwicklung oder Chaos hinterher. Es kommt dabei entscheidend auf die Kompetenzen der Beteiligten an. So kann der Sex dieselben emotionalen Tiefen zur Konsequenz haben, wie der nette Plausch beim Bäcker. Was ich mit emotionalen Tiefen meine, ist die Art und der Grad der Bindung, die dabei entstehen. Alles wird ungesehen in einen Topf geworfen, denn die drei Begriffe Partnerschaft, Bindung und Verbindung müssen unterschieden werden.

Sex ist nicht gleich Liebe. Liebe ist nicht gleich Partnerschaft. Genauso wenig wie Sex gleich Partnerschaft ist. Aber alle drei tragen das moralische Siegel unserer Kultur und sollten alle gleichzeitig auftreten. Wenn nicht, ist das moralisch verwerflich und wird abgewertet.

Meiner Meinung nach steht der Sex völlig isoliert von allem. Er löst Emotionen und Gefühle aus, die aber nicht zu einer Bindung werden müssen - nicht zu verwechseln mit einer Verbindung. Eine Verbindung habe ich aber auch schon, wenn ich Blickkontakt aufnehme oder mit einer Person einen Raum teile. Eine Bindung ist ein emotionales Band. Eine Verbindung ist nichts emotional sehr Tiefes. Es verhält sich kaum anders als mit netten Bekannten. Wer das nicht glaubt, dem empfehle ich schnell mal mit mehreren Menschen zu schlafen und das zu erkennen.

Worüber auch häufig eine Abwertung stattfindet: Es sei alles nicht echt oder wirklich genug. Es reicht nicht, dass zwei Menschen für einen Moment in der Gegenwart Spaß aneinander haben, um der Moral zu entkommen. Müssen wir tiefe Liebe, zumindest Verliebtheit, Kind, Haus und Sonnenuntergang hinten dran setzen? Ich übertreibe etwas, ich hoffe man merkt das. Das ist aber durchaus gewollt, um aufzuzeigen, wie absurd das alles ist.

Sex geschieht nämlich in der Gegenwart. Es findet nur im tatsächlichen SEIN statt. Partnerschaft und Bindung sind ein auf Zeit ausgerichtetes Konstrukt. Da steckt was anderes dahinter, wenn ich mich binde. Wenn ich mich binde, tue ich das in Bezug auf die Zukunft. Ich will mein Gegenüber an mich binden für einen gewissen Zeitrahmen, den ich nicht überblicken kann.

Der pure Sex an sich betrifft den ältesten Teil im Gehirn. Das "Reptilien-Gehirn" oder auch Stammhirn. Hier laufen automatische Reflexe, Flucht- und Kampfmodus, Abneigung und Zuneigung auf archaischer Stufe ab. Das ist sehr rudimentär und unaufgeregt. Wenn man mal auf einer Sex-Party neben einem vögelnden Pärchen steht, versteht man das. Dann merkt man, dass es wirklich und tatsächlich "nur" Sex ist und nicht mehr. Daher können die Gründe für Sex ebenso unaufgeregt und fern von aller Bindung und Partnerschaft sein und einige sind erschreckend nüchtern: Sympathie, Geilheit, Lust, Anziehung, Interesse, Langeweile, Abscheu, Zeitvertreib, Kommunikation usw. 

Sex ist Kommunikation auf körperlicher Ebene. Ursprünglich wurde er von unseren nächsten Verwandten, den Bonobos, auch aus diesem Grund betrieben. Zur Kommunikation und zum sozialen Erhalt der Gruppe. Sex kann hier als friedliche Art der Sublimierung von Aggression funktionieren. Mein Liebster sagte mir letztens "Männer sind niemals so friedlich wie beim Gruppensex. Die helfen sich, sind kooperativ, halten mal hier oder springen mal wo ein." Das glaube ich ihm sofort.

Sex ohne Emotionen geht nicht. Aber Sex mit unterschiedlichen emotionalen Qualitäten und Tiefen, die nicht als Konsequenz Paarbindung oder Partnerschaft haben, schon. Das ist sogar ziemlich häufig der Fall. Mitnichten will eine sexuell aktive Frau jeden Typen, mit dem sie Sex hat, zum Partner haben. Ein Lebenspartner muss ganz andere Qualitäten haben als ein Sexgespiele. Da geht es um was anderes. Die Lebenspartnerschaft hat einen anderen Zweck als die Affäre. Erstens: weil man viel besser Sex mit einem Mann hat, mit dem frau nicht zusammen lebt, (ist echt so – auch wenn alle das für gestört halten, es ist ziemlich normal). Und zweitens genügen klassische Sexpartner oder Affären den Anforderungen des Alltags einfach nicht. Nur weil man im Bett gut ist, heißt das noch lange nicht, dass man auch sonst ein Traumteam ist.

Sex geht also nicht emotional gleich tief oder auf dieselbe emotionale Ebene der Verliebtheit oder des Bindungswunsches. Manchmal trifft das zusammen. Das tatsächliche Zustandekommen einer Beziehung hängt aber tatsächlich von weitaus mehr Faktoren ab als Sex. Das merken Paare spätestens dann, wenn der Sex nachlässt. Sie kriegen häufig Panik, weil sie glauben, die Liebe sei weg - was wieder für diese elendige Verwechslung spricht.

Für eine Beziehung - und damit Bindung - sind viel mehr emotionale Nähe, Vertrautheit, Intimität, Verständnis und Einfühlung verantwortlich als Sex. Der Sex kann sein Scherflein dazu beitragen, aber er ist nicht das Zünglein an der Waage.

Noch einmal: Sex, Liebe und Partnerschaft stehen völlig isoliert voneinander. Sie können alle gemeinsam auftreten, müssen sie aber nicht. Viele Paare, die zusammen sind, lieben sich nicht. Viele Paare, die zusammen sind, wohnen nicht gemeinsam. Viele Menschen, die Sex miteinander haben, sind kein Paar. Den Sex "zu können" bedeutet, genau das ganz klar zu wissen. Das ist alles andere als romantisch oder lieblich. Aber darum geht es ja auch beim Sex nicht. Nicht wahr?"



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